Sonntag 25. - Donnerstag 29. Februar 2024
Thomas Manns Roman:
Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull
Innerhalb der europäischen Literaturgeschichte nimmt der deutschsprachige Bildungsroman eine Sonderrolle ein. In keiner anderen Nationalliteratur gibt es Bildungsromane dieses Zuschnitts. Erzählt wird im Bildungsroman meist die Integration eines Individuums in die Gesellschaft, deren nützlicher Teil es wird nach allerlei Herausforderungen, Niederlagen und anderen Bildungserlebnissen. Überspitzt gesagt, ist der Bildungsroman das protestantischste Genre, und Bildung ist hier nicht unbedingt verstanden als eine Öffnung zur Welt, sondern als Einkehr in die Innerlichkeit. Der Bildungsroman ist das Hochamt der deutschsprachigen Literatur.
Zwischen dem überwältigenden Erfolg von Buddenbrooks (1901) und der großen Erzählung Tod in Venedig (1912) sucht Thomas Mann nach einem Weg aus einer Schreibkrise. Wobei Krise nicht unbedingt meint, er hätte nichts schreiben können, im Gegenteil. Die rund erste Hälfte des Romans Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull entsteht in dieser Zeit, ehe sie dann wohlverschnürt im Schreibtisch verstaut wird, um erst vierzig Jahre später fortgeführt zu werden. In der ihm eigenen Lust an der Parodie nimmt Thomas Mann den Bildungsroman aufs Korn, er ahmt den hehren Goetheton nach und baut seinen Text nach den formalen Ansprüchen des Bildungsromans. Aber sein Held ist ein Hochstapler und Dieb, keine bürgerliche Karriere wird hier angestrebt. Die Welt will betrogen sein, denkt sich Felix Krull. Und bringt es darin durch die Bildungserlebnisse auf seinen einzelnen Stationen zur Meisterschaft.
In der gemeinsamen Lektüre des Romans werden die Bezüge zum Genre des Bildungsromans herausgearbeitet. Dabei wird deutlich, dass nur das parodiert werden kann, was man unbedingt liebt, wie Thomas Mann das Wesen der Parodie kennzeichnet. Die Kritik der Nachkriegszeit reagierte bestenfalls abwartend auf diesen Roman eines Exilanten, der sich hier über deutsche Kulturtraditionen lustig machte. Und so sind die Bekenntnisse auch ein Roman über Deutschland und über die deutsche Mentalität. Nicht ohne Grund nannte Thomas Mann den Krull seinen Faust. Der schlimmste Vorwurf der damaligen Kritik jedoch lautete auf Pornographie. Auch darüber wird zu reden sein.